Ein jeder aber sollte in sich ein Christus sein, so dass der Mensch Gott lebte und nicht sich selbst. (Mechthild von Magdeburg)
Meine Bekehrung ist nicht lang her. Alles ist noch frisch und lebendig und ich befinde mich im Rausch einer großen Gottesliebe, in die ich, wo es geht Brennmaterial werfe. Den Glauben trage ich auf der Zunge und freudig erzähle ich jedem davon, der mir begegnet. Schon einige Male ist es nun passiert, dass mir mein Gegenüber sagte: “Ich bin aus der Kirche ausgetreten.” Auf die Frage “Warum?” kommt dann die Antwort: “Missbrauch und überhaupt - was die Kirche sich alles so leistet und wie unmodern sie ist.” Doch sind Kirche und Glaube wirklich voneinander zu trennen? Nein, denn die Kirche ist die Braut Christi, die Gemeinschaft der Gläubigen. Wer Christ ist, kann demzufolge gar nicht aus der Kirche austreten. Man kann sich nur von der Institution abwenden, die wie jede andere Institution anfällig für Machtmissbrauch ist.
Vor meiner Taufe in der Osternacht stand auch für mich die Frage nach dem Kircheneintritt recht selbstbewusst im Raum. Mir missfiel, dass ich durch einen Akt des Glaubens automatisch noch fester an das staatliche Steuersystem angebunden bin, welches ich kritisiere. Mich stören Steuerverschwendung und falsche Prioritäten, mir missfällt, dass wir riesige Etats für kultivierte Luftnummern und politische Erziehungsprogramme, aber keine bestmögliche Versorgung in der Pflege haben. Ich sehe in meiner Arbeit Menschen, die sterben wollen, weil sie Angst vor den Kosten des Pflegeheimes haben. Ich sehe ein kaputtes System, ein schwarzes Loch, in das ich nun noch mehr Geld geben muss, weil ich bekehrt wurde. Lieber wäre mir, die Kirche würde unabhänig vom Staat agieren.
Die Verknüpfung von Staat und Kirche war die einzige Sache, die mich an meinem Eintritt zweifeln ließ. Aber Gott ließ diesen Zweifel nicht lange zu und ich habe akzeptiert, dass das System in Deutschland nun mal so ist und mich gefügt. Nun bin ich drin mit allen Rechten und Pflichten. Die Heilige Messe am Sonntag ist eine dieser Pflichten, die durchaus sinnvoll ist. Der wöchentliche Gottesdienst ist einer der Tragpfeiler meines sich wandelnden Lebens hin zu Christus.
Man braucht nicht unbedingt eine Kirche (Gebäude), um an Gott zu glauben, aber Gott braucht die Kirche, um in der Zeit sichtbar zu bleiben. Auch ich bete zu Hause an einem kleinen Altar in meinem Arbeitszimmer, doch wenn ich viel im Kopf habe, dann hocke ich vor Jesus und denke an den Abwasch. Lebt jeder nur seinen Privatglauben, wird Gott unsichtbar und irgendwann eine Erinnerung an vergangene Zeiten. Er ist dann immer noch da, aber die Menschen können ihn nicht mehr wahrnehmen. In den ehrwürdigen Räumen einer Kirche, in Gemeinschaft mit anderen Gläubigen und dem Allerheiligsten, ist man wirklich nah bei Gott.
Rechtfertigt jemand seinen Austritt mit dem schändlichen Missbrauch, der in christlichen Gemeinden stattgefunden hat, dann kann ich nur zurückfragen: “Sind Ihre Kinder im Sportverein? Haben sie Umgang mit der Familie?" Denn sexueller Missbrauch findet auch dort statt, häufiger sogar. Er ist eine Seuche, die sich durch alle Bereiche unserer Gesellschaft zieht und hat seinen Ursprung in einer Perversion der Sexualität. Fehlgeleitete Priester und Angestellte der Kirche gab es immer und wird es immer geben, doch wäre das eine Rechtfertigung, dann hätte die katholische Kirche nach Alexander VI aufgehört zu existieren.
Die Kirche, der Gottesdienst, der Empfang der Heiligen Sakramente - all das gehört doch zum Glauben, zu Gott. Ich kann nicht verstehen, wie man sich davon abwendet, wenn man wirklich ernsthaft glaubt. Und je schlimmer die Zustände sind, desto stärker müssen wir doch im Dienste Gottes stehen, dessen Anliegen eben immer die Liebe ist, auch wenn Christen diese nicht leben oder missbrauchen. Wir können doch nicht aufhören, gut sein zu wollen, weil das Schlechte sichtbar wird. Das hat Gott uns nicht gelehrt. Der Missbrauch ist das Übel. Nicht die Kirche.
Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht mit mir. (Mt. 26, 38; EÜ 1980)

Als Jesus mit seinen Jüngern in den Garten Gethsemane kam, um zu seinem Vater zu beten, schliefen Petrus, Jakobus und Johannes. Ihr Herr kehrte zu ihnen zurück, ermahnte sie und bat sie erneut:
Konntet ihr nicht mal eine Stunde mit mir wachen? Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. (Mt. 26,40-41, EÜ 1980)
Während Jesus mit seinem Schicksal ringt, hofft, dass der Kelch seines schweren Weges an ihm vorübergeht, um sich dann doch dem Willen des Vaters zu ergeben, schlafen seine Jünger wieder ein.
Und wir? Wir schlafen nicht nur, wir rennen aus dem Garten weg, anstatt Jesus beizustehen, der auch heute in Kämpfe verwickelt ist, der es immer war. Jeder Austritt aus der Kirche erweitert die Landnahme des Gegners. Wo kein Gläubiger mehr steht, der das Wahre und Gute lebt und verteidigt, da bricht das Böse freudig ein. Darum:
Zieht euch die Rüstung Gottes an (Eph. 6,11) und [d]ient freudig, als dienet ihr dem Herrn und nicht den Menschen (Eph. 6,7)
Fortsetzung folgt …